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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: 1 Ws 88/06
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 114
StPO § 309
1. Zu den Anforderungen an die Ordnungsgemäßheit eines Haftbefehls gem. § 114 II Nr. 2 StPO.

2. Zur Möglichkeit der Neufassung eines Haftbefehls durch das Beschwerdegericht.


1 Ws 87/06 1 Ws 88/06

Gründe:

Das Amtsgericht Wetzlar hat am 27.4.2006 gegen die Beschuldigten wegen gewerbs- und bandenmäßiger Steuerhinterziehung jeweils einen Haftbefehl erlassen. In beiden Haftbefehlen heißt es zur Begründung der Anordnung der Untersuchungshaft:

"Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, in den Jahren 1999 bis 2005 in O1, O2 und anderen Orten gewerbsmäßig als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Steuerhinterziehung verbunden hat, den Finanzbehörden unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege bzgl. steuerlich erheblicher Tatsachen unrichtige Angaben gemacht zu haben.

Der Beschuldigte und weitere gesondert Verfolgte und zwar insbesondere die Beschuldigten C, B1 (im Haftbefehl gegen A) bzw. A1 (im Haftbefehl gegen B) und E1 haben als fest zusammengefügte Gruppe durch organisatorisches Zusammenwirken und massive wirtschaftliche Betätigung eine Vielzahl von in- und ausländischen Firmen aufgebaut und diese faktisch beherrscht. Über die inländischen Firmen werden durch dubiose Geschäftspraktiken (die zumindest teilweise den Tatbestand des Betruges erfüllen) Gelder in Millionenhöhe vereinnahmt und diese vornehmlich in das Ausland transferiert, wobei diese Kapitaltransfers zum Zwecke der Steuerhinterziehung entweder durch Anbringung unrichtiger Belege in die Buchhaltung der verschiedenen Firmen oder auch ohne derartige Belege gewinnmindernd erfasst und dadurch Steuern im erheblichen Ausmaß nicht oder zu niedrig festgesetzt werden. Derzeit besteht hinsichtlich der verschiedenen Firmen und Personen der Verdacht der Hinterziehung von Umsatzsteuer, Körperschaftssteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer.

Der grob geschätzte Steuerschaden beträgt ca. 10 Millionen Euro.

Die Begehung erfolgte in mittelbarer und unmittelbarer Täterschaft. Der Beschuldigte und die gesondert Verfolgten werden von den als Geschäftsführer, Prokuristen, Controllern, Verwaltungsräten oder Buchhaltern eingesetzten Personen der beteiligten Firmen, die in die organisatorische und tatsächliche Abwicklung jeweils entsprechend eingebunden sind, unterstützt. Sie sind selbst aber die wirtschaftlich Begünstigten der in das Ausland abgeflossenen Gelder. Konkrete Unterstützungshandlungen wurden bei den 15 Beschuldigten festgestellt."

Gegen diesen Haftbefehl haben die Beschuldigten (der Beschuldigte B befindet sich auf freiem Fuß in Österreich) Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat die Beschwerden sodann durch die angefochtenen Beschlüsse verworfen und u. a. in der Beschwerdeentscheidung betreffend A ausgeführt:

"Der angefochtene Haftbefehl vom 27.4.2006 erfüllt die Voraussetzungen des § 114 Abs. 2 StPO zwar nicht. Die erkennende Kammer kommt aufgrund eigener Sachprüfung zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls gem. § 112 StPO vorliegen.

1. In einem Haftbefehl ist der Tatvorwurf grundsätzlich in einer dem Anklagesatz angenäherten Weise anzugeben. Der historische Vorgang, der die Tat im verfahrensrechtlichen Sinn beschreiben soll, ist so genau darzustellen, dass der Beschuldigte den gegen ihn erhobenen Vorwurf nach Umfang und Tragweite eindeutig erkennen kann... Von diesem Erfordernis können allerdings in umfangreichen Ermittlungsverfahren (insbesondere Wirtschaftsstrafverfahren) im Anfangsstadium der Ermittlungen gewisse Abstriche gemacht werden.... Die Anforderungen an die Konkretheit der Darstellung des Tatvorwurfs steigen mit fortschreitender Dauer der Ermittlungen und Untersuchungshaft....

Vorliegend sind die Anforderungen entsprechend dem Stand der Ermittlungen verringert, da sich das vorliegende Ermittlungsverfahren noch in einem relativ frühen Stadium befindet. Der Einleitungs- bzw. Erweiterungsvermerk der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes O1 datiert vom 4.4.2006. Allerdings rügt die Beschwerde in diesem Zusammenhang zurecht, dass aus dem Haftbefehl nicht annähernd deutlich wird, welche Rolle der Beschwerdeführer im Rahmen der ihm und dem Beschuldigten zur Last gelegten Vorwurf gespielt haben soll, insbesondere an welchen Firmen er beteiligt ist oder war und welche Transaktionen in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein könnten. Aufgrund der im Einleitungs- und Erweiterungsvermerk der Steuerfahndung dargestellten Ermittlungsergebnisse wären Angaben hierzu auch in diesem frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens möglich gewesen.

2. Aufgrund der bisherigen Ermittlungsergebnisse ist die Kammer nach eigener Prüfung der Beweislage allerdings davon überzeugt, dass dringender Tatverdacht wegen gemeinschaftlicher gewerbs- und bandenmäßiger Steuerhinterziehung gem. §§ 370 a, 370 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 AO, 25 Abs. 2 StGB im Sinne von § 112 Abs. 1 StPO gegeben ist. Voraussetzung für den dringenden Tatverdacht ist, dass mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist...

Im Hinblick auf den Beschwerdeführer ergibt sich die geforderte große Wahrscheinlichkeit einer Mittäterschaft bei der gewerbs- und bandenmäßigen Steuerhinterziehung über die im Haftbefehl des Amtsgerichts Wetzlar vom 27.4.2006 angegebenen Gründe hinaus aus folgenden Erwägungen, die insoweit den angegriffenen Haftbefehl ergänzen:

Der Beschwerdeführer ist nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen gemeinsam mit den drei anderen Hauptbeschuldigten in dem anhängigen Ermittlungsverfahren an einer Vielzahl von Unternehmen als Gesellschafter beteiligt und/oder als Geschäftsführer eingesetzt.

Nach den im Einleitungs- bzw. Erweiterungsvermerk der Steuerfahndung des Finanzamts O1 dokumentierten bisherigen Ermittlungsergebnissen ist oder war der Beschwerdeführer im Tatzeitraum u.a. bei folgenden Unternehmen als Gesellschafter beteiligt oder zum Geschäftsführer eingesetzt:

- F1 GmbH bzw. F2 GmbH, O3 (Gesellschafter zu 50 %, ehemaliger Geschäftsführer)

- F OHG (Gesellschafter zu 50 %)

- GG A2 -C1 GbR (Gesellschafter zu 50 %)

- G GmbH, O4 (Geschäftsführer)

- H GbR, O5 (Gesellschafter zu 25 %, Geschäftsführer)

- GG A2 und C1 und QA (Beteiligung 1/6)

- QB GmbH (Gesellschafter)

- I GmbH, O6 (Gesellschafter zu 50 %, Geschäftsführer)

- J Gesellschaft ... mbH, O7 (ehemaliger Gesellschafter)

- K GmbH, O8 (Gesellschafter zu 1/3).

Der Mitbeschuldigten C ist oder war danach mindestens bei folgenden Gesellschaften als Gesellschafter beteiligt oder zum Geschäftsführer eingesetzt:

- H GbR, O5 (Beteiligung, Geschäftsführer)

- I GmbH, O6 (Gesellschafter zu 25 %)

- G GmbH, O4 (Gesellschafter zu 50 %, Geschäftsführer)

- GG A2 -C1 GbR (Gesellschafter zu 50 %)

- GG A2 -C1 und QA (Beteiligung 1/6)

- K GmbH, O8 (Gesellschafter zu 1/3)

- F1 GmbH bzw. F2 GmbH, O3 (Gesellschafter zu 50 %, ehemaliger Geschäftsführer)

- F OHG (Gesellschafter zu 50 %)

- QB GmbH (Gesellschafter).

Der Mitbeschuldigte E1 ist oder war danach mindestens bei folgenden Gesellschaften zum Geschäftsführer oder Empfangsbevollmächtigten eingesetzt:

- F1 GmbH bzw. F2 GmbH, O3 (ehemaliger Geschäftsführer)

- L AG, O20 CH-...

- M GmbH, O9

- N Gesellschaft ... mbH, O4

- O GmbH, O4

- Q GmbH, O5

- OA GmbH, O4.

Der Mitbeschuldigte B1 ist oder war danach mindestens bei folgenden Gesellschaften als Gesellschafter beteiligt oder zum Geschäftsführer eingesetzt:

- QB GmbH (Gesellschafter)

- Q GmbH, O5 (Gesellschafter zu 50 %)

- H GbR, O5 (Gesellschafter zu 50 %, Geschäftsführer)

- M GmbH, O9 (Gesellschafter zu 50 %, Geschäftsführer bis 1.3.2002)

Neben den aufgezeigten direkten Verbindungen ergeben sich aus dem Einleitungs- bzw. Erweiterungsvermerk der Steuerfahndung zahlreiche weitere Querverbindungen zwischen den aufgelisteten Unternehmen untereinander oder auch zu anderen Unternehmen.

Nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen ist alleinige Gesellschafterin der F2 GmbH (im Folgenden F GmbH) die P AG (CH). Die F GmbH führt danach Konten und ist Generalunternehmerin für die L AG (CH). Darüber hinaus ist sie Inhaberin der Internetdomains folgender Unternehmen:

- OA, O4

- O GmbH, O4

- Q GmbH, O5

- M GmbH, O9

- NA GmbH, O4

- JA GmbH, O11

Schließlich bestehen nach dem Einleitungs- bzw. Erweiterungsvermerk mindestens Verwaltungsverträge mit folgenden Unternehmen:

- S, O10 (gleichzeitig Generalwerbevertrag mit der H GbR)

- T GmbH, O10 (gleichzeitig Generalwerbevertrag mit der H GbR)

Die P AG (CH) hält neben ihrer Beteiligung an der F GmbH nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis zudem Anteile an folgenden Gesellschaften:

- U GmbH, O13

- V Gesellschaft ... mbH, O12

- J Gesellschaft ... mbH, O7

- X, O13

- Y GmbH, O14 bzw. OC GmbH, O21

- Z, O15, Ibiza.

Die L AG (CH) ist nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Steuerfahndung des Finanzamts O1 ebenfalls an einer Reihe von Unternehmen beteiligt bzw. deren Alleingesellschafterin. Im Einzelnen handelt es sich dabei nach derzeitigem Stand mindestens um folgende Gesellschaften:

- OA GmbH, O4

- G GmbH, O4

- O GmbH, O4

- V Gesellschaft ... mbH, O12

- Y GmbH, O14 bzw. OA GmbH, O21 (bis 2004).

Im Rahmen von Betriebsprüfungen bei verschiedenen Gesellschaftern wurde für den Zeitraum zwischen 1999 und 2005 nach derzeitigem Stand insgesamt 76 unklare Vorgänge über eine Gesamtsumme von insgesamt 25.536.408,55 EUR festgestellt, die sich derzeit in Prüfung befinden oder zur Prüfung anstehen. Der nach derzeitigem Stand daraus resultierende Steuerschaden aus entgangener Umsatzsteuer, Körperschaftssteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer beträgt 10.640.980,00 EUR.

Die Einzelheiten zu den jeweiligen Vorgängen, insbesondere die involvierten Firmen, lassen sich der als Anlage zum Beschluss beigefügten Aufstellung der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts O1 vom 9.6.2006 entnehmen. Diese begründet den dringenden Verdacht, dass zwischen den dort aufgeführten Gesellschaften im Zeitraum von 1999-2005 Rechnungen und Verträge, denen keine tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungen zugrunde liegen, verwendet wurden, um den Geldfluss zu verschleiern und die aus den jeweiligen Unternehmen abgezogenen Gelder dann gewinn- und steuermindernd geltend zu machen.

Aufgrund der aufgezeigten direkten und indirekten Verflechtungen dieser Unternehmen mit den geschäftlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers und der oben genannten Mitbeschuldigten besteht weiterhin der dringende Verdacht, dass diese in bewusstem und gewollten Zusammenwirken maßgeblich den Aufbau des Firmengeflechts betrieben, um mittels der aufgezeigten Vorgehensweise ihren steuerlichen Verpflichtungen nicht nachzukommen."

Diese Ausführungen finden sich ebenfalls in der Beschwerdeentscheidung gegen den Beschuldigten B. In dieser ist zudem ergänzend ausgeführt: "Insbesondere die Gesellschaften, an denen der Beschwerdeführer als Gesellschafter beteiligt und/oder zum Geschäftsführer eingesetzt ist oder war, werden dort als Empfänger derzeit noch unklarer Leistungen im beträchtlichen Umfang angeführt. Im einzelnen handelt es sich um die H GbR, Q GmbH und die M GmbH (vgl. lfde. Nrn. 4, 6-12, 16, 45-47, 49-60, 63-67, 75). Schon allein die Tatsache, dass der Beschwerdeführer nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen nicht bloß Gesellschafter, sondern auch teilweise Geschäftsführer der involvierten Unternehmen ist oder war, begründet den dringenden Tatverdacht seiner Mittäterschaft bei einer gewerbs- und bandenmäßigen Steuerhinterziehung gem. §§ 370 a, 370 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 AO, 25 Abs. 2 StGB..... Sofern der Beschwerdeführer dabei lediglich als Gesellschafter beteiligt ist oder war, besteht daher zumindest der dringende Tatverdacht einer Teilnahme einer gemeinschaftlichen gewerbs- und bandenmäßigen Steuerhinterziehung gem. §§ 370 a, 370 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 AO, 25 Abs. 2 StGB."

Gegen die angefochtenen Beschlüsse richten sich die weiteren Beschwerden der Beschuldigten. Unter dem 14.8.2006 hat die Staatsanwaltschaft beantragt, die Haftbefehle des Amtsgerichts Wetzlar vom 27.4.2006 gegen die Beschuldigten neu zu fassen. Unter dem 21.8.2006, ergänzt unter dem 22.9.2006 wurde der Haftbefehlsantrag durch die Staatsanwaltschaft überarbeitet und beantragt, Haftbefehl gemäß der überarbeiteten Fassung unter Rücknahme des Antrags vom 14.8.2006 zu erlassen.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten vor, in den Jahren 1999 bis 2005 in O1, O2, O3, O9 und anderen Orts - der Beschuldigte A durch 15 selbständige Handlungen, - der Beschuldigte B durch 6 selbständige Handlungen - teilweise gemeinschaftlich Steuerhinterziehungen in einem besonders schweren Fall gemäß §§ 370 a, 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Nr. 1 und 4 AO, 25 Abs. 2, 53 StGB begangen zu haben.

Der Beschuldigte A soll in den Jahren 1999 und 2000 als Geschäftsführer der Fa. G GmbH keine Körperschaftssteuererklärung (Fall 1 und 2), keine Umsatzsteuererklärung (Fall 3 und 4) und keine Gewerbesteuererklärung (Fall 5 und 6) abgegeben, ferner als Gesellschafter (zu 25%) der Fa. H GbR in den Jahren 2002, 2003 und 2004 unrichtige Gewerbesteuererklärungen (Fälle 7 - 9) abgegeben und dadurch jeweils Steuern verkürzt haben. Für die Jahre 2002, 2003 und 2004 sei er seiner Pflicht zur Abgabe einer Einkommenssteuererklärung (Fälle 10 - 12) sowie seiner Pflicht zur Abgabe einer Gewerbesteuererklärung betr. den Gewerbeertrag aus Losverkäufen der NKL (Fälle 13 - 15) nicht nachgekommen und habe Steuern dadurch verkürzt.

Der Beschuldigte B soll als Gesellschafter (zu 50%) der Fa. H GbR in den Jahren 2001, 2002 und 2003 unrichtige Gewerbesteuererklärungen (Fälle 16 -18) abgegeben und dadurch jeweils Steuern verkürzt haben. Ferner soll er für die Jahre 2001, 2002 und 2003 unrichtige Einkommenssteuererklärungen abgegeben und dadurch Steuern verkürzt haben (Fälle 19-21).

Bezüglich der Einzelheiten wird auf den Antrag vom 21.8.2006 i.V.m. der Ergänzung vom 22.9.2006 Bezug genommen.

Die weiteren Beschwerden der Beschuldigten sind zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Sie führen zur Neufassung des gegen die Beschuldigten erlassenen Haftbefehls, die in der Anlage beigefügt ist.

Die Haftbefehle des Amtsgerichts Wetzlar in Verbindung mit den landgerichtlichen Beschlüssen vom 19.6. und 26.6.2006 sind entgegen der Auffassung der Verteidiger nicht deshalb aufzuheben, weil sie nicht die den Beschuldigten vorgeworfenen Tathandlungen ausreichend konkret schildern.

Das Beschwerdegericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines ordnungsgemäßen Haftbefehls selbständig zu prüfen und einen solchen selbst zu erlassen, wenn die Staatsanwaltschaft einen Antrag gestellt hat, der die verfahrensrechtlichen Taten, die sie dem Beschuldigten vorwerfen, mit hinreichender Deutlichkeit ersichtlich machen. Das ist mit dem Antrag vom 21.8.2006 der Fall.

Die Haftbefehle des Amtsgerichts Wetzlar in der Fassung der angefochtenen Beschlüsse des Landgerichts Limburg a. d. Lahn erfüllen nicht die Anforderungen an die Ordnungsgemäßheit eines Haftbefehls gem. § 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Nach § 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO muss der Haftbefehl "die Tat, deren (der Beschuldigte) dringend verdächtig ist (und) Zeit und Ort ihrer Begehung" anführen. Zwar wird, namentlich in einem frühen Stadium der Ermittlungen, nicht in jedem Fall verlangt werden können, dass der Vorwurf in einer Weise dargestellt wird, wie die insoweit gleichlautende Vorschrift des § 200 Abs. 1 S. 1 StPO es für die Anklageschrift verlangt; oftmals wird nämlich die abschließende Konkretisierung des in seinen Umrissen schon hinreichend bekannten und auch bereits dringenden Tatverdachts erst im Laufe der Ermittlungen möglich werden, deren Durchführung der Erlass des Haftbefehls gerade ermöglichen soll. Jedoch ist die Tat mindestens so genau darzustellen, dass der Beschuldigte den gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwurf nach Umfang und Tragweise eindeutig erkennen kann (vgl. KK-Boujong, StPO, 5. Aufl., § 114 Rndr. 6). Diesen Anforderungen werden die Haftbefehle des Amtsgerichts Wetzlar, wie das Landgericht in den angefochtenen Entscheidungen zu Recht ausführt, nicht gerecht. Die ergänzenden Ausführungen des Landgerichts in den angefochtenen Beschlüssen erfüllen aber auch ebenfalls nicht die Anforderungen des § 114 Abs. 2 StPO. Zwar werden die Verantwortlichkeiten nach Beteiligungen der Beschuldigten bei einzelnen Firmen sowie die Verflechtungen der einzelnen Firmen untereinander zutreffend dargelegt. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Beschlüsse verwiesen. Ergänzend ist insoweit anzumerken, dass weitere Gesellschafterin der Firma M GmbH die Firma NB O15, Ibiza, ist, deren Anteilseigner der Beschuldigte A und der Mitbeschuldigte C zu 50 % sind. Dies gilt auch bei der Fa. Q GmbH. Der Beschuldigte B ist zudem zu 49 % Gesellschafter der Firma X GmbH, O21, deren weitere Gesellschafterin zu 49 % die P AG, Schweiz, ist. Er ist zu 50 % Gesellschafter der Fa. OC Ges.mbH, O21, deren weitere Gesellschafterin ebenfalls die Firma P AG, Schweiz ist. Den Beschuldigten wird aber nicht konkret vorgeworfen, in welchem Umfang jeweils Umsatzsteuer, Körperschaftssteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer in den jeweiligen Jahren bei welcher Firma bzw. durch den Beschuldigten selbst hinterzogen worden sein sollen. Eine pauschale Angabe eines grob geschätzten Steuerschadens von insgesamt ca. 10 Millionen Euro ist nicht ausreichend. Der Hinweis auf eine Liste mit insgesamt 76 unklaren Vorgängen über eine Gesamtsumme von insgesamt über 25 Millionen Euro beinhaltet keine ausreichende Konkretisierung, zumal daraus nicht annähernd ersichtlich wird, in welchem Umfang eine Steuerverkürzung in welchem Jahr dadurch herbeigeführt wird. Auch im Anfangsstadium eines Ermittlungsverfahrens ist eine nähere Umgrenzung des Vorwurfs erforderlich. Nur so kann der Haftbefehl seiner Informations- und Umgrenzungsfunktion Genüge tun. Ein Haftbefehl muss verlässlich über die Gründe der Anordnung der Untersuchungshaft Auskunft geben.

Den genannten Mängeln des Haftbefehls kann der Senat durch Neufassung abhelfen. Stellt der Haftbefehl die Tat nicht mindestens so genau dar, dass der Beschuldigte die strafrechtlichen Vorwürfe nach Umfang und Tragweite eindeutig erkennen kann, kann das Beschwerdegericht dem Haftbefehl während des Ermittlungsverfahrens eine ordnungsgemäße Fassung dann geben, wenn die Staatsanwaltschaft, wie vorliegend, einen hinreichend bestimmten Antrag gestellt hat, die die verfahrensrechtlichen Taten, die sie dem Beschuldigten vorwirft, mit hinreichender Deutlichkeit ersichtlich machen (vgl. OLG Brandenburg, StV 97, 140 f.; OLG Brandenburg NStZ-RR 1997, 107 f.). Ein solcher konkreter Antrag liegt wie bereits ausgeführt vor und ist auch erforderlich, da die Staatsanwaltschaft - und nur sie - im Ermittlungsverfahren entscheidet, auf welche strafrechtlichen Vorwürfe ein zu erlassender Haftbefehl gestützt werden soll. Entgegen der Auffassung der Verteidiger ermöglicht gerade § 309 Abs. 2 StPO dem Senat eine eigene Entscheidung und den Erlass eines neu gefassten Haftbefehls (anders nach h.M. im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121 f. StPO, was vorliegend abschließend nicht zu entscheiden ist; die von den Verteidigern angeführte Rechtsprechung zu dem Haftprüfungsverfahren nach §§ 121 f. StPO findet jedenfalls im Beschwerdeverfahren keine Anwendung). Entgegen der Auffassung der Verteidigung sind die vom Gesetz gewährten Rechtschutzmöglichkeiten den Beschuldigten nicht versagt, wenn das Oberlandesgericht wie vorliegend den Haftbefehl neu fasst. Den Beschuldigten wurde vor Erlass des neu gefassten Haftbefehls hinreichend rechtliches Gehör über ihre Verteidiger gewährt. Sie hatten die Möglichkeit, auf die Entscheidung Einfluss zu nehmen und sich zu verteidigen. Der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör und effektive Verteidigung war gewährleistet.

Eine Zurückverweisung kam auch nicht in Betracht, soweit der Beschuldigte B betroffen ist. Zwar wird der Haftbefehl bei B zur Zeit nicht vollzogen. In einem solchen Fall wird von der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten, dass das Beschwerdegericht nicht selbst den ordnungsgemäßen Haftbefehl erlässt, vielmehr dies dem dafür grundsätzlich zuständigen Amtsgericht vorbehalten bleibt (vgl. OLG Hamm, StV 2000, 153 f; OLG Karlsruhe StV 2002, 147 f; OLG Düsseldorf StV 1996, 440). Dieser Auffassung vermag der Senat jedenfalls im vorliegenden Verfahren nicht zu folgen. Eine Zurückverweisung der Sache an das untere Gericht ist nur in begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Ein solcher Ausnahmefall ist dann nicht gegeben, wenn wie vorliegend zwar der ursprüngliche Haftbefehl fehlerhaft war, die Staatsanwaltschaft aber nunmehr einen konkreten Antrag gestellt hat. Nach § 309 Abs. 2 StPO ist, wie oben schon dargelegt, grundsätzlich eine Zurückverweisung nicht vorgesehen. Der Gesichtspunkt, dass dem Beschwerdeführer andernfalls eine Instanz "verloren ginge", hätte den Gesetzgeber veranlassen können, die Zurückverweisung wie in § 354 Abs. 2 StPO vorzusehen. Stattdessen hat er in § 309 StPO das Beschwerdegericht beauftragt, selbst zu entscheiden; daran sind die Gerichte gebunden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 309 Rdnr. 9 m.w.N.).

Die Beschuldigten sind der ihnen im Antrag vom 21.8.2006, ergänzt am 22.9.2006, zur Last gelegten Straftaten der Steuerhinterziehung, der Beschuldigte A in 14 Fällen (Fälle 1, 2, 4-15), der Beschuldigte B in 6 Fällen (Fälle 16-21), dringend verdächtig, wobei in den Fällen 1,2 und 5, 11-12 bei A sowie Fall 21 bei B ein besonders schwerer Fall nach § 370 Abs. 3, S. 2 Nr. 1 AO in Betracht kommt, da dringende Gründe dafür bestehen, dass die Beschuldigten in diesen Fällen aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Steuern verkürzt haben. Nach derzeitigem Sachstand kommt ein besonders schwerer Fall nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 AO dagegen nicht in Betracht. Zur Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege genügt nicht, wenn die Belege in die Buchhaltung eingeführt worden sind (Erbs-Kohlhaas/Senge, Strafrechtliche Nebengesetze, § 370 AO Rdnr. 91). Vorliegend bestehen lediglich Anhaltspunkte dafür, dass die Belege in die Buchhaltung eingeführt worden sind. Im übrigen ist der Gebrauch inhaltlich falscher Belege, die lediglich eine schriftliche Lüge enthalten und vom Aussteller selbst stammen oder mit dessen Kenntnis und Einverständnis hergestellt worden sind, nicht ausreichend (vgl. Senge a.a.O.). Vorliegend ist nicht auszuschließen, dass die Belege selbst vom Aussteller selbst stammen oder mit dessen Kenntnis und Einverständnis hergestellt worden sind. Der Senat geht ebenfalls zur Zeit nicht von einem dringenden Tatverdacht der gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370 a AO aus. Insoweit werden die verfassungsrechtlichen Bedenken des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofes gegen die Strafnorm des § 370 a AO (vgl. Urteil v. 28.10.2004, Az.: 5 StR 276/04; Beschl. v. 22.7.2004, Az.: 5 StR 85/04) geteilt. Das in dem Straftatbestand der gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Steuerhinterziehung gemäß § 370 a AO entscheidende Verbrechensmerkmal der Steuerverkürzung "in großem Ausmaß" erscheint im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht ausreichend bestimmt. Es lässt sich nicht erkennen, unter welchen Voraussetzungen dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, welche Anknüpfungspunkte maßgeblich sein sollen und ob es auf den jeweiligen Einzelfall ankommt oder ob bei einer Vielzahl von Hinterziehungstaten eine Gesamtbetrachtung des Tatbildes entscheidend sein soll; bei diesem Befund ist nicht ersichtlich, wie der Normadressat - der dem Gesetz unterworfene Steuerbürger - durch Auslegung Tragweite und Anwendungsbereich des Verbrechenstatbestandes ermitteln und konkretisieren soll. Eine Anlehnung an die Rechtsprechung zur Strafzumessungsregel gem. § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO im Hinblick auf das für die Straffindung relevante Merkmal der Steuerverkürzung "aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß" führt nicht weiter. Denn die im Strafzumessungsrecht gebotene Gesamtwürdigung aller die Tat prägenden und begleitenden Umstände lässt dem Richter bei der Rechtfolgenbestimmung einen weiten Spielraum. Die insoweit im Strafzumessungsrecht noch vertretbare Unbestimmtheit des Merkmals im Regeltatbestand ist, wenn das Merkmal zum maßgeblichen Kriterium bei der Abgrenzung von Vergehen und Verbrechen im Rahmen der §§ 370, 370 a AO wird, auf der tatbestandlichen Ebene nicht mehr hinnehmbar (vgl. BGH a.a.O.).

Unabhängig davon wurde § 370 a AO erst mit Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz vom 19.12.2001 in das Gesetz eingefügt, so dass die Vorschrift erst dann anwendbar ist.

Soweit dem Beschuldigten A eine Hinterziehung von Umsatzsteuern für das Jahr 1999 vorgeworfen wird (Fall 3), besteht ein dringender Tatverdacht nicht, da Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

Bei der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Unterlassen läuft die Verjährungsfrist, die vorliegend 5 Jahre beträgt (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB i. V. m. § 370 AO), von dem Zeitpunkt an, zu dem die Jahresanmeldung abzugeben war (vgl. BGH wistra 1991, 215; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 78 a Rdnr. 15 m. w. N., Erbs-Kohlhaas/Senge a.a.O. Rdnr. 108; a. A. OLG München Beschluss vom 1.10.2001 Az.: 2 Ws 1070/01 zitiert nach juris). Abzugeben war die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1999 gesetzlich bis zum 30.9.2000, da ein Steuerberater eingeschaltet war. Die Abgabefrist verlängerte sich dann durch Fristverlängerungen des Finanzamtes O4 bis zum 5.4.2001 (gemäß Auskunft des Finanzamtes O1 mit Schreiben vom 24.10.2006). Demnach war mit Ablauf des 4.4.2006 Verfolgungsverjährung eingetreten, da eine verjährungsunterbrechende Handlung nicht erfolgte. Zwar fertigte das Finanzamt O1 unter dem 4.4.2006 einen Einleitungs- bzw. Erweiterungsvermerk gem. § 397 AO. Das beinhaltete indessen noch keine Anordnung der Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens, die gemäß § 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB zu einer Unterbrechung der Verjährung führen würde. Unterbrechungshandlungen sind erst nach dem 4.4.2006 zu verzeichnen. Darauf, dass das Finanzamt die Steuern nach dem 5.4.2001 geschätzt hat, kommt es nicht an (vgl. BGH a.a.O.).

Zu dem dringenden Tatverdacht in den Einzelfällen (die Bezifferung der Fälle, auch im neu gefassten Haftbefehl, folgt aus Gründen der Übersichtlichkeit der Bezifferung im Antrag der Staatsanwaltschaft):

Der Beschuldigte A ist dringend verdächtig als Geschäftsführer der Fa. G GmbH, O4 für die Jahre 1999 und 2000

- Körperschaftssteuer (Fall 1 und 2)

- Umsatzsteuer (Fall 4)

- Gewerbesteuer (Fall 5 und 6)

durch Nichterklärung vertraglich zugesicherter Einnahmen von der Fa. L AG hinterzogen zu haben.

Der dringende Tatverdacht bezüglich der Taten 1, 2, 4-6 betr. A folgt aus den Erfolgsrechnungen der L AG für die Jahre 1999 und 2000, in denen Provisionszahlungen an die Firma G GmbH, bei der der Beschuldigte A Geschäftsführer war und ist und damit für die Steuererklärung verantwortlich zeichnet, in Höhe von 9.691.242,07 DM für das Jahr 1999 sowie 7.930.308,72 DM für das Jahr 2000 ausgewiesen sind. Nach den Feststellungen des Finanzamtes wurden diese Mehreinnahmen nicht erklärt.

Es errechnen sich demnach folgende Steuerverkürzungen betreffend die Körperschaftssteuer (Fall 1 und 2), die Umsatzsteuer (Fall 4) sowie die Gewerbesteuer (Fall 5 und 6):

(Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen im Volltext nicht dargestellt werden kann, in der pdf-Datei aber enthalten ist - die Red.)

"Es ergibt sich damit eine Steuerverkürzung im Fall 1 von 2,8 Millionen DM Körperschaftssteuer für das Jahr 1999, im Fall 2 von 2,1 Millionen DM Körperschaftssteuer für das Jahr 2000, im Fall 4 von 770.000 DM Umsatzsteuer für das Jahr 2000, im Fall 5 von 1,2 Millionen DM Gewerbesteuer für das Jahr 1999 sowie im Fall 6 von 957.000 DM Gewerbesteuer für das Jahr 2000.

Soweit der Beschuldigte sich über seine Verteidigerin dahingehend einlässt, dass die Erfolgsrechnungen der L AG mit den Provisionszahlungen an die G GmbH keinen Beleg dafür darstellen, dass die G GmbH in dieser Höhe einen zu versteuernden Gewinn erzielt habe, bei der Berechnung von Mehrsteuern der G GmbH sei die Ausgabenseite völlig außer Acht gelassen worden, vermag dies den dringenden Tatverdacht nicht zu entkräften. Nach den unwidersprochen gebliebenen Darlegungen des Finanzamtes O1 mit Schreiben vom 15.9.2006 wurde seitens der Steuerfahndung die Ausgabenseite nicht außer Acht gelassen, da es sich bei den vorgeworfenen Beträgen um das von der Firma G GmbH selbst ermittelte Betriebsergebnis handele. Das Finanzamt führt aus, dass dort ein Gewinn von ca. 4,4 Millionen DM ausgewiesen worden sei, der zuvor nur durch eine "unzulässige - weil ohne entsprechenden Beleg vorgenommene - Abschlussbuchung in Höhe von ca. 3,5 Mio. DM gemindert worden" sei. Bei dieser Gewinnermittlung seien auch bereits Betriebsausgaben in Höhe von ca. 6 Millionen DM berücksichtigt worden. Unter Berücksichtigung dessen können weitere Ausgaben nicht noch steuermindernd berücksichtigt werden, weil keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass über die bereits berücksichtigten Betriebsausgaben weitere Betriebsausgaben anzusetzen wären. Es verbleibt deshalb bei den berechneten Steuerhinterziehungsbeträgen.

Verfolgungsverjährung ist nicht eingetreten. Bezüglich der Umsatzsteuerhinterziehung für das Jahr 2000 (Abgabefrist für die Jahressteuererklärung war 30.9.2001) ist die jedenfalls durch die Bekanntgabe des konkretisierten Haftbefehlsantrages vom 21.8.2006 am 25.8.2006 durch die Staatsanwaltschaft unterbrochen worden (§ 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB). Bei der Gewerbe- und Körperschaftssteuer beginnt die Verjährung nach der Rechtsprechung (vgl. hierzu Tröndle/Fischer a.a.O. § 78 a Rdnr. 15 m. w. N.) zu dem Zeitpunkt, in welchem bei rechtzeitiger Abgabe der Steuererklärung eine Veranlagung durch das Finanzamt stattgefunden hätte; das ist der Fall, wenn die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk im Wesentlichen, d. h. zu etwa 95 % abgeschlossen sind. Dies war gemäß Schreiben des Finanzamts O1 vom 24.10.2006 bei der Körperschaftssteuer für das Jahr 1999 zum 30.11.2001 der Fall. Für die Gewerbesteuer gibt es keine Feststellung der Erledigungsquote, ein früherer Zeitpunkt ist aber nicht zugrunde zu legen. Für die Beendigung der Taten maßgebend dürften vielmehr die Schätzbescheide für das Jahr 1999 vom 31.10.2001 sein. Eine rechtzeitige Unterbrechungshandlung liegt jedenfalls auch insoweit mit der Bekanntgabe des konkretisierten Haftbefehlsantrag vor. Dies gilt auch für die Steuerverkürzungen für das Jahr 2000, da eine Beendigung der Taten noch später eintrat.

Der Beschuldigte A ist dringend verdächtig, für die Jahre 2002 bis 2004 als Gesellschafter der Fa. H GbR - er war ab 2002 zu 25 % Gesellschafter - unrichtige Gewerbesteuererklärungen abgegeben zu haben, indem Rechnungen, denen keine reale Leistung zugrunde lagen, unberechtigt bei der Gewinnermittlung eingebucht wurden (Fälle 7 - 9).

Im Fall 7 ergibt sich ein dringender Tatverdacht einer Gewerbesteuerhinterziehung in Höhe von 103.906 DM nach den berichtigten Berechnungen durch das Finanzamt O1 unter dem 22.9.2006 für das Jahr 2002 bei der Firma H GbR. Für das Jahr 2003 ergibt sich insoweit eine Steuerverkürzung in Höhe von 325.644 Euro (Fall 8) und für das Jahr 2004 eine Steuerverkürzung von 337.348 Euro an Gewerbesteuer (Fall 9).

Derzeit ist davon auszugehen, dass für die Jahre 2002 - 2004 Rechnungen, denen keine reale Leistung zugrunde lagen, unberechtigt bei der Gewinnermittlung eingebucht wurden, nämlich:

2002:

- 70.800 Euro an BA,

- 30.000 Euro an CA (Firma CA1 AG),

- 245.080 Euro an DA GmbH.

2003:

- 70.800 Euro BA,

- 557.100 Euro an CA,

- 200.000 Euro DA GmbH,

- 984.000 Euro Z1 O15.

2004:

- 504.600 Euro an CA,

- 369.000 Euro an Z1 O15,

- 700.000 Euro EA,

- 310.000 Euro FA O15.

Dass den eingebuchten Rechnungen keine reale Leistung gegenüberstand, ergibt sich aus folgenden Gründen:

a) Firma CA

Unter Berücksichtigung der vorgelegten Verträge zwischen CA und der F1 GmbH vom 14.3.2003, H GbR vom 26.3.2003 sowie Q GmbH vom 24.3.2003 und der Aussagen der Zeugen Z2 und Z3 bestehen dringende Gründe dafür, dass sich alle relevanten Kundendaten in einer zentralen und angeblich durch die Firma CA gesicherten Datenbank bei der Firma F GmbH befinden. Dies gilt insbesondere auch für die H GbR, wie dem Anhang 5 des Vertrages vom 26.3.2003 mit der CA zu entnehmen ist. Hieraus ergibt sich nämlich als "Standort der Applikation" die F1 GmbH in O3. Dies bedeutet, dass die Daten u.a. der Firma H GbR über die Firma F GmbH liefen und damit, wie das Finanzamt O1 in dem Aktenvermerk vom 11.8.2006 nachvollziehbar ausführt, eine Trennung und eine mit hohem Kostenaufwand zusätzliche erneute Datensicherung bei den einzelnen, von der Firma F GmbH verwalteten Firmen aus tatsächlichen und wirtschaftlichen Gründen sinnlos ist. Dies wird bestätigt durch die Aussage des Zeugen Z2, der bekundet hat, dass die Daten der Firma F durch die Firma CA in der Schweiz gesichert würden. Gesichert werde die gesamte Datenbank, die Datenbank als Einheit, eine Trennung erfolge nicht. Der Zeuge, der nach eigenen Angaben bei der Firma F die Verwaltungssoftware programmierte und darlegte, dass die Kundendaten "unserer Produktgeber" sowie "weitere" zentral auf den Rechnern der F verwaltet werden, äußerte zudem, dass seiner Meinung nach eine Einzelsicherung von firmenbezogenen Daten nicht in Betracht käme, dies wäre zwar technisch, aber nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand möglich. Dem steht nicht entgegen, dass nach der Aussage des Zeugen Z2 es in der von ihm programmierten Datenbank keinen Produktgeber H GbR gebe, da nach dem bereits genannten Anhang 5 des Vertrages der "Standort der Applikation" gerade auch der Firma in O3 bei der Firma F1 GmbH sein soll. Nach der Aussage des Zeugen Z4, der bei der Fa. F als EDV-Sachbearbeiter tätig ist, sind - entgegen der in Anlage 5 des Vertrages vom 14.3.2003 angegebenen vertragsgegenständlichen Datenmenge von 10 GB - tatsächlich insgesamt ca. 400 GB gesichert worden. Die Frage, ob es aus technischer Sicht Sinn mache, dass neben der F die Produktgeber Verträge mit der CA abschließen, verneinte er. Weiter wird durch die Aussage des Zeugen Z3 bestätigt, dass den "Verträgen" zwischen Firmen, die nach den Angaben des Zeugen Z2 zentral auf dem Rechner der Firma F verwaltet werden, und der CA keine Leistungen zugrunde lagen. Der Zeuge Z3 hat nämlich bekundet, dass ihm nicht bekannt sei, dass die CA in O10 Leistungen für die Firmen S bzw. T erbracht habe. Zu den periodischen Backups könne er sagen, dass gemäß Aussage des Vertreters spezielle Hardware zu installieren sei, diese sei definitiv nicht in O10 installiert. Nach Aussage des Zeugen Z2 wurden die Firmen S und T auf dem Rechner der F verwaltet. Nach den Ermittlungen des Finanzamtes O1 beträgt zudem laut Internetwerbung der CA vom April 2006 die Maximalgebühr bei Inanspruchnahme aller gängigen Leistungen netto 8.635 Euro für die einmalige Einrichtung und 593 Euro monatlich als laufende Servicegebühr. Laut einem Zeitungsartikel betreffend CA vom Februar 2006 kostet die Sicherung einer Datenmenge von 50 GB. knapp 3.000 Schweizer Franken. In Anbetracht dessen steht das im Servicevertrag der CA mit der Firma H vereinbarte Entgelt von 66.000 Euro als einmalige Einrichtungsgebühr und 41.300 Euro monatlich für eine Datensicherung von 10 GB in keinem angemessenen, wirtschaftlich begründbaren Verhältnis. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die unterschiedlichen Serviceverträge der CA mit der Firma F GmbH, mit der Firma Q GmbH und der Firma H GbR unter Ziffer 3 "Zeitplanung" allesamt einheitlich den Kurztext:

"M3: 14.03.03" aufweisen.

Auffällig ist weiter, dass bei Rechnungen aus dem Jahr 2005 - die allerdings nicht Gegenstand der Tatvorwürfe sind -, unter dem Absender der Firma CA der Straßenname falsch geschrieben ist: statt ...straße heißt es "...straße". Dies spricht vor dem Hintergrund obiger Ausführungen dafür, dass höchstwahrscheinlich fingierte Rechnungen gefertigt wurden, bei denen in den zuletzt angeführten wiederholt derselbe Schreibfehler unterlaufen ist.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände vermag nach dem derzeitigen Ermittlungsstand die von dem Verteidiger des Beschuldigten B vorgelegte Bestätigung der "Geschäftsbeziehung zur Firma H GbR O5" der CA vom 21.9.2006 den dringenden Tatverdacht nicht zu entkräften. Ggf. werden beschleunigt Nachermittlungen insoweit zu führen sein.

b) Hotel DA GmbH

Der dringende Tatverdacht, dass den insoweit geltend gemachten Betriebsausgaben bzgl. der Hotelgutscheine keine reale Leistung gegenüber stand, ergibt sich aus den Ermittlungen des Finanzamts - Steuerfahndungsstelle -, zusammengefasst in einem Aktenvermerk vom 30.8.2006. Insoweit wurde bei der Betriebsprüfung der Firma H GbR durch das Finanzamt O22 eine Vereinbarung datiert auf den 1.7.2003 zwischen der Firma H GbR und dem Hotel DA vorgelegt, wobei sodann durch den Prüfer festgestellt wurde, dass bereits in der Buchhaltung für 2002, d. h. bereits vor dieser Vereinbarung, Rechnungen für Hotelgutscheine gewinnmindernd erfasst worden sind. Die Überprüfung der Vereinbarung durch den Betriebsprüfer ergab, dass der für die Firma H GbR verwendete Stempel, der die ...str. ... in O5 als Adresse auswies (die Firma H GbR hatte ihren Sitz zuvor in O9) erst im Jahre 2004 angeschafft worden ist. Zudem weicht die Ortsangabe "O9" zu dem Datum von der Firmenadresse im Stempel ab. Dafür, dass eine reale Leistung den Hotelgutscheinen nicht gegenüber stand, spricht weiter dass der Mitbeschuldigte E während der Betriebsprüfung als Auskunftsperson für die Firma H GbR angegeben hat, es seien weniger als 5 % der erworbenen Hotelgutscheine auch tatsächlich eingelöst worden seien. Der immense Kostenaufwand bei dem Kauf der Hotelgutscheine steht dazu in keinem Verhältnis. Hieraus ist der Schluss zu ziehen, dass Gefälligkeitsrechnungen vorliegen. Hierzu kommt, dass im Zusammenhang mit dem Hotel DA Verflechtungen zu anderen Firmen bestehen, die dringend den Verdacht begründen, dass im Zusammenwirken von zusammenhängenden Firmen Betriebsausgaben unberechtigt produziert werden. Nach den Ermittlungen des Finanzamts ist der Geschäftsführer der Firma Hotel DA GmbH, GA, Verwaltungsrat der Firma HA AG, die ausweislich vorliegender Rechnungen ebenfalls Hotelgutscheine veräußert. Die hierzu durchgeführten Ermittlungen haben ergeben, dass diese Firma gegen eine Pauschale i. H. v. 75.000,00 € jährlich an die Firma JA GmbH & Co. eine unbegrenzte Anzahl von Hotelgutscheinen beziehen darf. Es wurde festgestellt, dass im Jahr 2005 die Firma HA AG allein an die Firmen O GmbH und OA GmbH in O4 Rechnungen für den angeblichen Verkauf von Hotelgutscheinen in Höhe von 2,3 Mio. Euro gestellt hat. Auffällig in diesem Zusammenhang ist ebenfalls, dass das Hotel DA der Firma UA AG, einer Schweizer Domizilgesellschaft, die dort keinen eigenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausübt, "gehört". Die Firma P AG, die u. a. ab dem 01.01.2005 zu 100 % Gesellschafter der F2 GmbH ist, ist zu 25,5 % Gesellschafter der UA AG. Als Verwaltungsratspräsident der UA AG fungiert VA, der als Verwaltungsrat vieler anderer Schweizer Domizilgesellschaften auftritt, u. a. auch der Firma P AG. Er ist auch Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer der Firma XA AG, welche die Bilanz der Firma UA AG erstellt hat. Der Geschäftsführer der Hotel DA GmbH GA1 ist ebenfalls Verwaltungsrat anderer Domizilgesellschaften, u. a. der Firma YA AG, die in der Bilanz zum 31.12.2003 der Firma Hotel DA GmbH als 100 %ige Kapitalinhaberin bezeichnet ist. Beteiligt an der Firma UA AG ist ferner der Bruder des Mitbeschuldigten C, QA. Die Firma L AG ist ferner finanziell an der Firma UA AG beteiligt, wobei die Firma F1 GmbH mit der Firma L AG dadurch verbunden ist, dass der Firma F die Interessenvertretung der L AG in Deutschland übertragen wurde. Unter Berücksichtigung dieser engen Firmenverflechtungen und den übrigen genannten Umständen bestehen dringende Gründe dafür, dass den Rechnungen keine realen Leistungen gegenüber standen. Daran ändert auch nichts, dass der Verteidiger des Beschuldigten B ein Schreiben einer Frau AB vom 04.09.2006 vorgelegt hat, wonach sie im Jahre 2004 durch Beauftragung von Herrn B diverse Verträge, Unterlagen durchgeschaut und auf Vollständigkeit kontrolliert habe und dabei bei einigen Verträgen festgestellt habe, dass Stempel und/oder Unterschriften nicht vorhanden seien. Dies sei dann der Geschäftleitung vorgelegt und vervollständigt worden. Nachdem sie die Vereinbarung H GbR/ DA gesehen habe, gehe sie davon aus, dass dies auch eine jene Unterlagen gewesen sei. Damit wird nicht entkräftet, dass den Rechnungen keine realen Leistungen gegenüber standen, ebenso wenig durch die vorgelegten Übernachtungslisten und das Prospektmaterial.

c) Firma BA

Der dringende Tatverdacht, dass den Rechnungen der BA keine realen Leistungen gegenüber stand, ergibt sich aus den Erläuterungen und Ermittlungen der Finanzamtes O1 mit Schreiben vom 21.09.2006. Danach war gemäß einem vorgelegten Vertrag für die Betreuung von Call-Centern ein Beraterhonorar für die BA in Höhe einer erfolgsabhängigen Vergütung von 5 % aller vertragsgegenständlichen Umsatzerlöse vereinbart. Tatsächlich wurden jedoch bei der Firma H GbR in den Jahren 2002 und 2003 jeweils Eingangsrechnungen der BA über insgesamt 70.800,00 € jährlich (monatlich 5.900,00 € pauschal) entgegengenommen und entsprechende Zahlungen geleistet. Dafür, dass die Rechnungen ohne reale Gegenleistung gestellt wurden, spricht auch ein bei der Firma H sichergestelltes Schriftstück, wonach die Firma H GbR die Firma BA darum bittet, ihr für die Monate Juli bis September einen Betrag über 14.750,00 € in Rechnung zu stellen.

d) Firma Z1 O15

Nach den Ermittlungen des Finanzamtes - Steuerfahndungsstelle - bestehen dringende Gründe dafür, dass zwar Telefonkarten zu Werbezwecken versandt worden sind, diese jedoch nicht von der Firma Z1 O15 Ibiza geliefert wurden. Lieferant der Telefonkarten dürfte die Firma BB in der Schweiz gewesen sein (gemäß Aussage des Zeugen Z4) bzw. BB in Luxemburg. Insoweit dürfte der Transport per Seefracht aus Griechenland erfolgt sein, ohne dass ersichtlich wird, bei welchem griechischen Unternehmen die Firma BB die Telefonkarten hat produzieren lassen. Letztlich wird dies auch bestätigt durch die Anlagen zum Schriftsatz des Verteidigers des Beschuldigten B, Rechtsanwalt BC, vom 06.09.2006. Insoweit werden nämlich Abrechnungsbelege der Firma BB AG über verbrauchte Telefoneinheiten beigefügt. Nach den Ermittlungen des Finanzamtes waren diese Karten mit einem "Wert" von 15 € nur für Gespräche aus dem Ausland nach Deutschland freigeschaltet und waren nur ein Jahr gültig. Sie hatten keinen Chip, sondern einen Code, der freigerubbelt und dann bei jedem Gespräch nach der Landesvorwahl eingegeben werden musste. Auf der Karte befand sich weiterhin eine Telefonnummer, bei dieser Telefonnummer handelt es sich um die Hotlinenummer der Firma BB. Wenn diese Hotlinenummer gewählt wurde, landete der Anrufer nicht bei der Firma BB, sondern bei der Firma A/C1 GmbH in Deutschland. Die Verträge mit den ausländischen Telefongesellschaften hat als Provider die Firma BB geschlossen. Diese hat dann auch nur die tatsächlich vertelefonierten Einheiten bezahlen müssen. Schuldner der vertelefonierten Einheiten ist die Firma BB/Schweiz. Eigene vertragliche Beziehungen zwischen den inländischen Firmen und den ausländischen Telefongesellschaften bestanden nicht. Rechnungen der Firma BB an die Rechnungsempfänger, u. a. H GbR, wurden nicht gefunden, so dass Betriebsausgaben nicht entstanden sind. Es bestehen daher dringende Gründe dafür, dass die Rechnungsgestaltung des Einkaufs von Telefonkarten über die Firma Z1 nur gewählt worden ist, um die als Betriebsausgaben geltend gemachten Gelder der inländischen Besteuerung zu entziehen. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass hinter der Firma Z1 als 100 %iger Gesellschafter die Firma P AG in der Schweiz steht. Die Telefonkartenbestellungen und Rechnungen der Firma Z1 wurden im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahme im Objekt ... in O4 im Schreibtisch des Mitbeschuldigten C gefunden. Damit wird mit überwiegender Wahrscheinlichkeit deutlich, dass die Bestellungen der Telefonkarten für alle Firmen zentral gesteuert worden sind, u. a. für die Firma H GbR. Ein tatsächlicher Leistungsaustausch zwischen der Firma Z1 und den Rechnungsempfängern dürfte nicht stattgefunden haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach den Ermittlungen des Finanzamts die Fa. Z1 erst im August 2003 gegründet wurde und die Verträge für die umfänglichen Lieferungen im Jahre 2003 alle bereits unter September 2003 datieren. Ergänzend hat die Steuerfahndung noch mit Schreiben vom 19.09.2006 zutreffend darauf hingewiesen, aus den sichergestellten Beweismitteln ergebe sich weiter, dass die Firma N1 ihre Telefonkarten tatsächlich von der Firma X1 GmbH bezogen hat, während die Firma Z1A z.B. 100.000 Stück Telefonkarten zum Preis von 12,30 € pro Stück an die Firma NA in O4 geliefert haben soll. Ausweislich der Auftragsbestätigung vom 04.02.2005 betrugen die tatsächlichen Kosten für den Bezug von 20.000 Stück Telefonkarten insgesamt 900,00 €, d. h. lediglich 0,045 € pro Stück. Dies belegt im Zusammenhang mit dem Umstand, dass die Fa. BB Schuldner der tatsächlich vertelefonierten Einheiten ist, dass der immense Kostenaufwand bei dem Kauf der Telefonkarten auf keiner realen Basis beruht.

Die zentrale Steuerung der Bestellungen der Karten und die Verflechtungen der Firmen untereinander wird noch durch folgende Umstände belegt:

Die Auftragsbestätigung vom 4.2.2005, die am 07.02.2005 bei der Firma N1 GmbH in O4 per Fax eingegangen ist, wurde am 09.02.2005 ebenfalls per Fax an die Firma F GmbH in O1 weitergeleitet und zwar mit dem ausdrücklichen Vermerk "z.H. C" Dies belegt, dass der Mitbeschuldigte C weiterhin in verantwortlicher Funktion bei der Firma F GmbH tätig war, obwohl er seit 01.01.2005 weder Gesellschafter noch Geschäftsführer der Firma F GmbH formell gewesen ist und eine zentrale Steuerung der Bestellungen der Karten erfolgte. Daneben war aber auch in maßgeblicher Funktion weiterhin bei der Firma F der Beschuldigte A tätig, wie sich insbesondere aus der Aussage des Zeugen Z4 ergibt.

Aus den Schreiben der BE GmbH in O24 - diese Firma soll laut dem Mitbeschuldigten E im Zusammenhang mit den Telefonkarten Druckaufträge gehabt haben - vom 26.6.2006 und 17.10.2006 - das letztgenannte wurde von der Staatsanwaltschaft nachgereicht - ergeben sich keine vertraglichen Bindungen dieser Firma zu den Firmen Z1, NB, A C1 GmbH und H. Danach wurde vielmehr der Auftrag zum Druck von 700.000 Flyern von der Fa. BB, O23 in Luxemburg erteilt. Die BE führt in ihrem Schreiben vom 17.10.2006 weiter aus:

"3. Mit dem o.g. DHL-Dokument, welches eine Lieferung von der Fa. NB O15 (Ibiza) an unser Unternehmen ausweist, wurden uns -seitens unseres Kunden BB - ca. 640.000 fertige Telefonkarten geliefert. Offensichtlich hat die Fa. NB O15 nur als Lieferantin für unseren Geschäftspartner BB fungiert.

4. Die beigestellten Telefonkarten wurden auftragsgemäß in die von uns gedruckten Flyer eingeklebt.

5. Folgende Lieferanschriften, zu denen von uns selbst keine geschäftlichen Beziehungen bestehen, hat unser Kunde (BB) für diesen Auftrag benannt:

a) 150.000 Flyer (davon 50.000 Flyer ohne Telefonkarten) an die Fa. A C1 Verwaltungs GmbH, ...Str. ..., O3,

b) 550.000 Flyer (davon 10.000 Flyer ohne Telefonkarten) an die Fa. BD GmbH, ..., O2."

Hieraus lassen sich nach dem derzeitigen Ermittlungsstand keine Rückschlüsse darauf ziehen, dass den Rechnungen betreffend die Telefonkarten reale Leistungen der Fa. Z1 gegenüberstanden.

e) FA

Insoweit bestehen ebenfalls nach dem derzeitigen Ermittlungsstand (Bericht des Finanzamtes O1 vom 22.9.2006) dringende Gründe dafür, dass der Rechnung über 700.000 Euro keine reale Leistung zugrunde liegt. Ein Vertrag zwischen EA und der H GbR wurde am 5.1.2005 unterschrieben. Der H GbR wird hierin Erlaubnis zur Herstellung von 200.000 Wettgutscheinen á 3,50 Euro erteilt. Gleichwohl hat die Firma F GmbH F2 GmbH in O3 namens der H GbR und 5 weiterer Firmen (O, OA, M, Q, JA) der Graphic Shop C1 GmbH in O4 bereits am 3.12.2004 den Teilauftrag zum Druck dieser Wettgutscheine erteilt. Die Rechnung der EA an die H GbR über 700.000 Euro für das Recht zur Herstellung von Wettgutscheinen datiert bereits vom 7.12.2004, also rund 4 Wochen vor Vertragsabschluss. Im übrigen scheint es wenig nachvollziehbar, dass für die Nutzung eines ungeschützten Namensrechtes ein Betrag von 3,50 Euro pro Schein gezahlt wird. Die Gesamtwürdigung dieser Umstände spricht für Gefälligkeitsrechnungen. Der dringende Tatverdacht wird durch die vom Verteidiger des Beschuldigten B mit Schriftsatz vom 4.10.2006 vorgelegten Unterlagen nicht berührt.

f) EA

Der dringende Tatverdacht, dass der Rechnung keine reale Leistung gegenüberstand, ergibt sich aus dem Vermerk des Finanzamtes O1 vom 22.9.2006. Insoweit bestehen dringende Gründe aufgrund des Vermerks des Betriebsprüfers X2 vom Finanzamt O22 III dafür, dass der mit enormen finanziellen Mittel erfolgte angebliche Adressenkauf den Erwerberfirmen keinen Nutzen gebracht haben dürfte. Die Firma VA ist erst am 3.10.2003 auf Ibiza registriert. Danach erscheint es unwahrscheinlich, dass sie in der Lage war, bereits im Jahre 2003 für die Firma V1 und im Januar 2004 beginnend für die Firma I Hunderttausende von Adressen zu liefern. Dies gilt auch für den Erwerb durch die Firma H GbR. Die Aquisition der umfangreichen Adressbestände und deren Aufbereitung nimmt erfahrungsgemäß Jahre in Anspruch. Dafür, dass keine realen Leistungen zugrunde lagen, spricht auch die enge Verbundenheit der Firma EA mit der Firma H GbR, deren Gesellschafter der Mitbeschuldigte C ist. Insoweit erhielt nämlich die Sekretärin des C in O3 bei der F2 GmbH, Frau CD, am 24.5.2005 von Frau BG ein Mail mit einem Vertrag "Lieferabkommen" zwischen der Firma EA und der Firma L AG. In diesem Mail bittet Frau BG den Vertrag C1 vorzulegen und dessen Einverständnis für den Entwurf einzuholen. Insoweit ist auffällig, dass die Firma EA ihren Sitz unter der Adresse Avenida ... Nr. ..., O15 hat. Unter dieser Anschrift waren auch die Firmen Z1 sowie BA ansässig.

Der Beschuldigte A ist zudem dringend verdächtig in 3 Fällen (Fall 10-12) Einkommensteuer für die Jahre 2002 - 2004 hinterzogen zu haben, indem er Einnahmen aus einem Geschäftsführergehalt der Fa. G GmbH, Provisionen aus Losverkäufen der NKL, Bonuszahlung der Fa. P AG (nur 2003), Gewinnanteilen von 25 % als Mitgesellschafter der Fa. H GbR sowie zugeflossene anteilige Einnahmen durch verdeckte Gewinnausschütterungen der Firmen M GmbH, I GmbH, Q GmbH und F GmbH nicht erklärte.

Nach den Berechnungen des Finanzamtes O1, zuletzt mit Schreiben vom 15.9.2006 und 22.9.2006, bestehen dringende Gründe für folgende nicht erklärte Einnahmen des Beschuldigten A:

(Es folgen zwei Tabellen, die im Volltext aus technischen Gründen nicht dargestellt werden können, in der pdf-Datei aber enthalten sind - die Red.)¶

Dabei wurde unter Berücksichtigung der Einwendungen der Verteidigung das Halbeinkünfteverfahren zugrunde gelegt. Das Finanzamt hat auch eine Vergünstigung nach § 35 EStG berücksichtigt.

Der zugrundegelegte Gewinnanteil in Höhe von 25 % des Beschuldigten A an der Firma H GbR errechnet sich dabei wie folgt:

(Es folgt eine Tabelle, die im Volltext aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann, aber in der pdf-Datei enthalten ist - die Red.)

Bei dem Beschuldigten A waren verdeckte Gewinnausschüttungen zu berücksichtigen. Es waren Kapitalabflüsse bei Kapitalgesellschaften, die tatsächlich keine Betriebsausgaben darstellen, aber aus dem Vermögen der Gesellschaft trotzdem abgeflossen und den Gesellschafter zugeflossen sind und keine offene Gewinnausschüttung in Form von Dividenden usw. darstellen als sogenannte verdeckte Gewinnausschüttungen zu erfassen und als steuerpflichtiger Zufluss bei den empfangenen Gesellschaftern als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen. Es ergibt sich für die Jahre 2002 bis 2004 bei dem Beschuldigten A folgende Berechnung:

(Es folgt eine Tabelle, die im Volltext aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann, in der pdf-Datei aber enthalten ist - die Red.)

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die verdeckten Gewinnausschüttungen dem Beschuldigten A nicht zugeflossen sein könnten, fehlen.

Soweit bei den Firmen M GmbH, Firma I GmbH, Firma Q GmbH und Firma F4 GmbH, an denen der Beschuldigte beteiligt war, Betriebsausgaben nicht anzuerkennen waren, wird bezüglich der Firmen CA, Z1 und EA auf die obigen Ausführungen verwiesen. Aus den obigen Erwägungen bestehen dringende Gründe dafür, dass den hier in Frage stehenden Rechnungen der Firmen keine realen Leistungen gegenüberstanden. Allerdings ist entsprechend den Berechnungen des Finanzamtes davon auszugehen, dass Leistungen im Vertragsverhältnis Firma CA und Firma F4 GmbH erbracht worden sind, die aber bei weitem nicht die Summe erreichten, die auf der Basis der Vertragsvereinbarungen errechnet und bezahlt worden sind. Insoweit ist nach den Recherchen des Finanzamtes für die einmalige Einrichtung ein Betrag von 8.635 Euro im Jahr 2003 zugrunde zu legen sowie jährlich für die laufende Datensicherung 7.116 Euro und zwar unter Berücksichtigung der Sicherung einer Datenmenge von 10 GB gemäß der vertraglichen Vereinbarung. Die Verteidigung kann sich vorliegend nicht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGHR EStG § 9 Abs. 1 Werbungskosten 1) berufen, wonach es für die Anerkennung als Betriebsausgaben nicht darauf ankommt, ob die Aufwendungen nach objektiven Gesichtspunkten üblich, notwendig oder zweckmäßig sind. Vorliegend geht es nicht um übersetzte Aufwendungen, sondern darum, dass reale Leistungen über den anzuerkennenden Betrag hinaus nicht vorliegen, so dass von Gefälligkeitsrechnungen auszugehen ist. Es bestehen zudem dringende Gründe dafür, dass auch die Rechnungen der Firma KA GmbH nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind. Insoweit ist auf die Feststellungen des Finanzamtes O1 vom 19.9.2006 in Verbindung mit dem Fax des Betriebsprüfers X2 vom Finanzamt O22 III vom 15.9.2006 und die Vernehmung der seinerzeit als Beschuldigten vernommenen Zeugen Z5 vom 7.2.2005 zu verweisen.

Hierzu heißt es in dem Fax des Finanzamtes O22 u. a.:

"Die Firma KA stellte in den Jahren 2000 bis 2003 folgende Rechnungen

(Es folgt eine Tabelle, die im Volltext aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann, in der pdf-Datei aber enthalten ist - die Red.)

Die in den Rechnungen angegebenen Beträge wurden tatsächlich bezahlt. Ein Betriebsausgabenabzug ist aber aus folgenden Gründen zu versagen:

Die Bannerwerbung in der Arena "Auf Schalke" ist nicht erfolgt. Die Werbemaßnahme erforderte eine Genehmigung der Veranstalter. Eine Vereinbarung hierfür und die damit verbundenen Kosten für die KA GmbH konnten nicht vorgelegt werden.

Da somit nachweislich die angegebenen Leistungen nicht erbracht wurden, liegen keine steuerlich anzuerkennenden Betriebsausgaben vor.

...

Lt. Rechnungen vom 18.12.2001 sollten Werbeteams Werbung unter Verteilung von Handzetteln betreiben. Ein Nachweis darüber, welche Personen (Mitarbeiter usw.) dabei eingesetzt wurden und die hierfür anfallenden Kosten konnte nicht erbracht werden. Ebenso liegt kein Nachweis über die Herstellungs- (Druckkosten) der Handzettel vor. Die angeblich über 300.000 gesammelten Adressen entsprechen bei 22 Veranstaltungstagen etwa 13.700 Adressen täglich. Bei einer durchschnittlichen Veranstaltungsdauer von 6 Stunden müssten demnach stündlich etwa 2.280 Adressen ermittelt worden sein.

Für die lt. Rechnung vom 10.4.2002 abgerechneten Stadionwerbungen liegen keine Nachweise für die der KA damit entstandenen Kosten und Vereinbarungen mit den Veranstaltern vor. Ein Leistungsnachweis konnte auch hierfür nicht erbracht werden.

In seiner Vernehmung vom 07.02.2005 hat Herr Z5 (Gesellschafter und Geschäftsführer der KA1 GmbH) zur Rechnung vom 24.11.2003 an die M GmbH ausgesagt:

- Die in der Rechnung angegebenen Adressen nicht geliefert wurden

- seine Unterschrift auf der Rechnung nicht von ihm stammt

- Die KA nicht in der Lage, diese Vielzahl von Adressen zu liefern.

Die Rechnung vom 24.11.2003 wurde aufgrund von Mahnungen erst am 31.3.2004 bezahlt. Dabei handelt es sich um nicht ernstgemeinte Mahnungen. Dies ergibt sich aus den handschriftlichen Vermerken, wie "keine Sorgen machen", liegenlassen, lt. Herrn E - nur proforma". Die Mahnungen sollten offensichtlich nur dazu dienen, diese Scheinrechnung glaubhafter zu machen."

In der Vernehmung vom 7.2.2005 äußerte sich Z5 ferner wie folgt:

"Ich weiß, dass diverse verbundene Firmen einige Sponsorengelder zumindest per Rechnung einbezahlten. Ich habe aber im Nachhinein gemerkt, dass das alles im Grunde genommen gefakte Rechnungen waren. Bei den eigentlichen Events war es so, dass das im Grunde genommen eher ein Zusatzgeschäft gewesen ist. Einnahmen diesbezüglich, zumindest nennenswerte, waren nicht zu verzeichnen gewesen". Das spricht mit hoher Wahrscheinlichkeit für fingierte Rechnungen.

Der Beschuldigte A ist zudem dringend verdächtig in 3 Fällen (Fall 13-15) Gewerbesteuer verkürzt zu haben und zwar aus seinen Einkünften in den Jahren 2002 bis 2004 aus Provision aus Losverkäufen NKL als Einzelunternehmer. Nach den inzwischen korrigierten Berechnungen des Finanzamtes vom 22.9.2006 errechnet sich eine Steuerverkürzung für das Jahr 2002 von 46.640 Euro, für das Jahr 2003 von 73.040 Euro und für das Jahr 2004 von 161.040 Euro. Entgegen der Auffassung der Verteidigung sind Betriebsausgaben gemäß den Ausführungen des Finanzamtes im Schreiben vom 11.9.2006 nach dem jetzigen Ermittlungsstand nicht abzusetzen. Nach den Ausführungen des Finanzamtes wurden einerseits bei dem Beschuldigten weder entsprechende Ausgabenbelege vorgefunden, andererseits ist nach den getroffenen Feststellungen davon auszugehen, dass die zugehörigen Kosten (auch mangels eigenem büromäßigen Geschäftbetrieb des Beschuldigten) bereits bei der Firma F GmbH und gegebenenfalls anderen Firmen der Gruppe erfasst sind.

Der Beschuldigte B ist dringend verdächtig, für die Jahre 2001 bis 2003 als Gesellschafter der Fa. H - er war zu 50% Gesellschafter - unrichtige Gewerbesteuerklärungen abgegeben zu haben, indem Rechnungen, denen keine reale Leistung zugrunde lagen, unberechtigt bei der Gewinnermittlung eingebucht wurden (Fälle 16-18).

Bezüglich der Fälle 17 und 18 ist auf die Ausführungen bei A (Fall 7 und 8) zu verweisen. Es besteht der dringende Verdacht der mittäterschaftlichen Begehungsweise mit A als Mitgesellschafter.

Im Fall 16 ergibt sich der dringende Tatverdacht einer Steuerverkürzung für das Jahr 2001 an Gewerbesteuern in Höhe von 75.944 Euro. Bezüglich der Kürzungen der Betriebsausgaben um die Rechnungen der Firma KA GmbH in Höhe von 833783 DM und BA in Höhe von 49500 DM ist auf die obigen Ausführungen bei A zu verweisen. Aus den selben Gründen sind dringende Gründe dafür gegeben, dass den Rechnungen keine realen Leistungen zugrunde lagen. Auch die Betriebsausgaben sind nicht anzuerkennen, soweit die Rechnung der Firma Autovermietung LA10 betroffen ist. Insoweit wird auf den Aktenvermerk des Finanzamtes O1 vom 21.9.2006 verwiesen. Mit den Ausführungen darin ist davon auszugehen, dass die betroffene Rechnung vom 22.12.2001 nicht die Unterschrift des MA trägt. In der Gewinnermittlung für 1995 hatte MA10 mit einer anderen Unterschrift gezeichnet. Dringende Gründe für eine Nichtanerkennung dieser Betriebsausgaben ergeben sich auch aus der angeführten Vernehmung des Z5X vom 7.2.2005, wonach bereits schon einmal eine Unterschrift des Herrn A10 nachgemacht worden sein soll, in diesem Fall aber von einem nicht im vorliegenden Verfahren Beteiligten. Auffällig ist auch, dass die Rechnung vom 22.12.2001 stammt und dann erst die Leistungen für die gesamte Zeit vom Januar bis Dezember 2001 abgerechnet, dabei Vorschüsse nicht gezahlt wurden. Die Zahlung erfolgte erst in zwei Raten im Jahre 2002, nämlich am 1.2.2002 und 15.3.2002.

Er ist ferner dringend verdächtig in 3 Fällen (Fälle 19 - 21) Einkommenssteuer für die Jahre 2001-2003 hinterzogen zu haben, indem er seinen Gewinnanteil als Gesellschafter der Fa. H GbR zu niedrig angab und zugeflossene anteilige Einnahmen durch verdeckte Gewinnausschüttungen der Firmen M GmbH und Q GmbH nicht erklärte.

Insoweit ergibt sich folgende Berechnung gemäß der Neuberechnung des Finanzamts O1 vom 22.9.2006:

(Es folgt eine Tabelle, die im Volltext aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann, in der pdf-Datei aber enthalten ist - die Red.)"

Bezüglich der nicht anerkannten Ausgaben sowie den verdeckten Gewinnausschütterungen wird auf die obigen Ausführungen bei A verwiesen.

Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand bestehen entgegen dem Vorbringen des Verteidigers des Beschuldigten B keine Gründe für die Annahme eines Verwertungsverbotes.

Der Verteidiger macht geltend, dass ein steuerstrafrechtliches Verwertungsverbot aus dem Unterlassen der formellen Einleitung eines Steuerstrafverfahrens gegen die betreffenden vertretungsberechtigten Geschäftsführer trotz der nach Aktenlage angenommenen Verdachtslage mit Unterbleiben der Belehrung nach § 393 Abs. 1 S. 4 AO und § 9 BpO abzuleiten sei. Die Mitwirkung im Prüfungsverfahren sei durch Täuschung erschlichen (§ 136 a StPO).

Hierzu führt das Finanzamt O1 am 20.9.2006 u. a. aus:

"Entgegen dem Vorbringen der Verteidigung ist ein Verwertungsverbot nicht gegeben.

Das für die Fa. H GbR zwischenzeitlich zuständig gewordene Finanzamt O22 ordnete im Besteuerungsverfahren gemäß den Vorschriften der §§ 193 ff. AO zum 31.3.2005 eine Außenprüfung an, um die steuerlichen Verhältnisse der Fa. H GbR zu überprüfen.

Bereits in 2004 war durch das vorher örtlich zuständige Finanzamt O9 eine Außenprüfung beabsichtigt, deren Beginn sich jedoch insbesondere durch Sitzverlegung nach O5 und die geänderte Zuständigkeit verzögert hat. (...)

Die vom zuständig gewordenen Finanzamt O22 begonnene Betriebsprüfung steht also in keinem Zusammenhang zu den getroffenen strafrechtlichen Feststellungen. Hierbei ist es auch völlig unerheblich, ob der Prüfungsstil des Prüfers X2 dem Steuerberater NA "merkwürdig" vorgekommen ist oder nicht, da neben den allgemeinen gesetzlichen Grundlagen der §§ 193 ff. AO hinaus über die konkrete und tatsächliche Art und Weise der Durchführung einer Außenprüfung aus nahe liegenden Gründen keine Rechtsnormen bestehen; die ist schließlich immer von den Umständen des Einzelfalls abhängig.

Die Betriebsprüfung des Finanzamts O22 im Besteuerungsverfahren erfolgte ausschließlich anhand dortiger eigener Aktenlage ohne Kenntnis weiterer externer Vorgänge. Neben dem rein zeitlichen Ablauf der Maßnahmen wird dies auch belegt durch die Anlage zur Prüfungsanordnung vom 31.3.05, in der keine der derzeitigen strafrechtlichen Überprüfung unterliegenden Vorgänge angeführt sind (...).

Der Prüfer erschien erstmalig am 18.5.2005 in den Geschäftsräumen der Fa. H GbR und nahm 3 Tage lang dort Prüfungshandlungen vor, wobei der Beschuldigte B lediglich während der ersten 10 Minuten des 18.05. anwesend war.

Wie durch den StB. NA in seinem Schreiben vom 01.09.06 selbst bestätigt wurde, erfolgten nach Mai 2005 keine Prüfungshandlungen des Finanzamts O22 bei der Fa. H GbR mehr, in welchem der Beschuldigte B zur Vorlage von Belegen oder Erteilung von Auskünften aufgefordert wurde.

Die Besprechung des Betriebsprüfers mit dem StB. NA am 07.05.05 (lt. Betriebsprüfer am 07.07.05) ist entgegen dem Vortrag der Verteidigung für die Frage eines Verwertungsverbotes völlig unerheblich, da einerseits zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Prüfungshandlungen mehr erfolgten und andererseits der Betriebsprüfer noch entsprechend arglos war.

Der Betriebsprüfer X2 hat sich völlig korrekt gemäß § 10 BpO verhalten, auf Grund seiner eigenen Festsstellungen die Prüfung unterbrochen und die zuständige Steuerfahndung mit dem Ersuchen, ob ggf. ein Strafverfahren einzuleiten ist, informiert (...).

Vom Schriftsatz des Finanzamts O16 vom 17.03.05 und dem gesamten Umfang des späteren Strafverfahrens bekam der Prüfer X2 erst viel später im Laufe der darauf folgenden Monate Kenntnis.

Wenn die Verteidigung moniert, dass der Betriebsprüfer die Unterbrechung seiner Prüfung gegenüber dem Stb. NA nicht förmlich bekannt gegeben hat, so verkennt sie, dass es hierzu keine entsprechende gesetzliche Verpflichtung gibt. Erst nach der Besprechung vom 07.07.2005 erhielt der Prüfer Kenntnis von Vorfeldermittlungen der Steufa O1 und unterbrach danach seine Prüfung, um kein Verwertungsverbot für eventuell noch durch die Steuerfahndung zu ermittelnde Sachverhalte herbei zu führen.

Die auf Grund der Kontrollmitteilung des Finanzamts O16 vom 17.3.05 durchgeführten Vorermittlungen der Steuerfahndungsstelle O1 führten am 09.06.2005 zur Einleitung von Strafverfahren gegen die Beschuldigten C und A1, die sich zum damaligen Zeitpunkt auch nur auf Sachverhalte bezüglich der Firmen F GmbH in O3 und I GmbH in O13 bezogen.

Erst zum 04.04.06 erfolgte die Erweiterung auf Sachverhalte u. a. der Firma H GbR und die Einleitung von weiteren Strafverfahren u. a. gegen den Beschuldigten B1 selbst (vgl. bereits aktenkundigen Einleitungs- und Erweiterungsvermerk vom 04.04.06).

Die Durchsuchung und die Bekanntgabe der Ermittlungsverfahren erfolgte am 23.05.2006.

Aus dem nachfolgend nochmals zusammengefassten zeitlichen Ablauf ergibt sich, dass ein Verwertungsverbot zu keinem Zeitpunkt bestanden hat und alle bezüglich der Fa. H GbR gewonnenen Erkenntnisse verwertbar sind:

25.02.2004 Absetzung der Betriebsprüfung Fa. H GbR durch FA O9

31.03.2005 Prüfungsanordnung FA O22 mit Anlage betr. Fa. H GbR

18.05.2005 Prüfungsbeginn bei Fa. H GbR durch FA O22

20.05.2005 Letzte Prüfungshandlungen bei Fa. H GbR durch FA O22

07.07.2005 Besprechung mit StB. NA und Unterbrechung der Prüfung bei Fa. H GbR durch FA O22

09.06.2005 Einleitung Steuerstrafverfahren gegen C und A1 betr. Firmen F GmbH und I GmbH

04.04.2006 Einleitung Steuerstrafverfahren gegen B1 und Erweiterung u. a. auf Sachverhalte betr. Fa. H GbR

23.05.2006 Durchsuchungen und Bekanntgabe der Strafverfahren

..."

Unter Berücksichtigung dessen ist nach der derzeitigen Sachlage ein Verwertungsverbot nicht gegeben.

Bei beiden Beschuldigten besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).

Die Beschuldigten haben im Verurteilungsfalle eine hohe (A) bzw. gravierende (B) Freiheitsstrafe zu erwarten, so dass ein erheblicher Fluchtanreiz besteht.

Der Beschuldigte A hat zwar einen festen Wohnsitz (Eigentumswohnung). Er ist verheiratet und hat ein gemeinsames Kind mit seiner Ehefrau, das 19.. geboren ist. Er hat zudem einen Sohn aus geschiedener Ehe, der unterdessen in der Firma F GmbH tätig ist, ferner einen nichtehelichen Sohn, geboren im Jahre 1986. Diese Umstände vermögen hinreichende fluchthemmende Bindungen nicht zu begründen. Hierbei ist zu berücksichtigten, dass der Beschuldigte vielfältig beruflich tätig ist, so auch im Ausland. Es bestehen aufgrund der Ermittlungen der Steuerfahndung und Zeugenaussagen dringende Gründe dafür, dass er zusammen mit C eine Finca auf Ibiza/Spanien zur Verfügung hat. Der Beschuldigte dürfte über erhebliche Gelder verfügen, die ihm eine Flucht ermöglichen würden. So wurde ein Kontoauszug der ...bank O18 sichergestellt, der für Februar 2006 eine Entnahme von 800.000 Euro durch den Beschuldigten ausweist. Am 17.11.1999 überwies die Firma I, deren alleiniger Gesellschafter seinerzeit der Beschuldigte und der Mitbeschuldigte C3 waren, einen Betrag in Höhe von 1,2 Millionen DM auf ein Konto der Firma L AG. Am gleichen Tag hat dann die Firma L AG einen Betrag nach Abzug von Kosten von 240.404,84 Euro auf ein Konto der Beschuldigten A und C3 bei der Banco PA überwiesen (Gutschriftsbetrag 239.921,89 Euro). Am 17.3.2003 ist eine Überweisung auf das Konto der Ehefrau des Beschuldigten A durch den Beschuldigten über 230.000 Euro vermerkt. Durch die Firma P AG wurde an den Beschuldigten mit Schreiben vom 16.12.2002 ein Bonus für das Geschäftsjahr von 2002 über 300.000 Euro netto angekündigt, wobei die Auszahlung spätestens am 31.3.2003 erfolgen sollte.

Gegen den Beschuldigten besteht ein weiteres Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft München. Insoweit wurde gegen ihn am 28.8.2006 Haftbefehl durch das Amtsgericht München, Az.: ER VI Gs 6007/06, erlassen.

Der Beschuldigte B, der österreichischer Staatsangehöriger ist, hält sich zwar an seinen Meldewohnsitz in Österreich auf, nach eigenen Angaben lebt er in intakten familiären Verhältnissen (nach Angaben in einer Vernehmung vom 26.8.2004 war er zu diesem Zeitpunkt noch ledig), ist Vater eines Kindes, wobei die Familie ein zweites Kind erwartet. Der Beschuldigte dürfte aber ebenso wie der Mitbeschuldigte A über erhebliche finanzielle Mittel verfügen. Er ist vielfältig geschäftlich tätig und hat insbesondere Verbindungen nach Ungarn. So wurden im Februar 1999 rd. 1,1 Mio. DM von C2 auf ein Konto von B in O19 überwiesen, dieses Konto hatte er jedenfalls zur Ermöglichung der Überweisung zur Verfügung gestellt. Gegen den Beschuldigten B besteht zudem ein weiteres Ermittlungsverfahren. In diesem Verfahren ist gegen den Beschuldigten durch das Amtsgericht München am 11.5.2006, Az.: ER II Gs 4251/06, Haftbefehl erlassen worden.

Unter diesen Umständen spricht bei der gebotenen Gesamtabwägung eine größere Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beschuldigten sich im Falle der Freilassung dem weiteren Verfahren nicht zur Verfügung halten werden. Der bestehende Fluchtanreiz wird noch durch die weiteren bestehenden Haftbefehle verstärkt.

Bei dieser Sachlage kann der Zweck der Untersuchungshaft auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen gemäß § 116 StPO, insbesondere auch nicht durch die angebotenen Sicherheitsleistungen (500.000 Euro betr. A und 100.000 Euro betr. B) erreicht werden.

Dagegen besteht derzeit der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr gem. § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO nicht. Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr besteht nur, wenn das Verhalten der Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, dass durch bestimmte Handlungen auf sachliche oder persönliche Beweismittel eingewirkt und dadurch die Ermittlungen der Wahrheit erschwert wird. Verdunkelungshandlungen müssen mit großer Wahrscheinlichkeit für den Fall zu erwarten sein, dass der Beschuldigte nicht in Haft genommen wird. Die bloße Möglichkeit, dass solche Handlungen vorgenommen werden, genügt nicht. Vorliegend ist eine solche große Wahrscheinlichkeit der Einwirkung durch die Beschuldigten nicht ersichtlich. Aus der Art und aus der gewählten Begehungsweise des Delikts allein kann im allgemeinen nicht auf Verdunkelungsgefahr geschlossen werden. Es müssen vielmehr im konkreten Einzelfall besondere Umstände feststellbar sein, die den Verdacht stützen (vgl. OLG München NStZ 1996, 403f.). Solche besonderen Umstände sind nicht feststellbar. Soweit sich die Staatsanwaltschaft auf die Aussage des Zeugen Z4 vom 19.6.2006 aus dem Verfahren der Staatsanwaltschaft München stützt, vermag diese den dringenden Verdacht einer Einwirkung durch die Beschuldigten nicht zu begründen.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Das Verfahren ist mit der erforderlichen Beschleunigung bisher geführt worden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in außerordentlich großem Umfang sichergestellte Unterlagen auszuwerten waren und sind. Nach dem Bericht des Finanzamtes O1 vom 15.9.2006 befinden sich 800 Ordner sichergestellter Belege bei der Steuerfahndung.

Nach alledem waren die Beschwerden der Beschuldigten mit der Maßgabe der Neufassung des Haftbefehls zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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